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Ein Monat schon

Samstag, 12. Dezember 2009

Leute, es ist leicht. Es ist sogar erschreckend leicht. Ich hätte mir gewünscht, pünktlich zum Einmonatigen Dramatisches erzählen zu können. Verzweiflungsausbrüche morgens vorm Kleiderschrank, Selbstbeschimpfungen (”Du verdammte Vollidiotin, was hast du dir bloß eingebrockt?”), heimliches Tragen von rotgeblümten Folkloreröcken hinter geschlossenen Vorhängen. Stattdessen: Das kleine Blaue ist wie Zähneputzen und Haarekämmen. Muss ja, und gut ist. Kein weiteres Nachdenken darüber. Angezogen wird, was auf dem Bügel hängt.

Ich gebe allerdings zu, das Wort Accessoire in meinen Wortschatz aufgenommen zu haben. Ich gebe zu, ein bedenkliches Interesse an Strumpfhosen zu entwickeln, die ich sonst nicht mit der Kneifzange angefasst hätte – gestreifte, geblümte (geblümte!). Sonst? Keine Nebenwirkungen, keine Mangelerscheinungen.

Im Gegenteil: zwei Kilo plus. Wie ich schon befürchtet habe: die teuflische Elastizität, die dem Körper keine Grenzen setzt und ihn ohne Gegenwehr expandieren lässt. Kleidung war bislang immer mein Korrektiv. Mein Wärter. Das kleine Blaue sagt: Mach, was du willst, mir doch egal.

Umziehen

Samstag, 14. November 2009

Heute muss das Kleid zum ersten Mal richtig ran: Ich packe für meinen Umzug übermorgen. Heute ist das kleine Blaue ein Arbeitskittel. Der kleine Blaumann. Das macht es gut.
Kann es Zufall sein, dass Umziehen so ein seltsam elastisches Wort ist? Man zieht um, man zieht sich um. Man zieht sich eine neue Umgebung an, eine neue dritte Haut, man schlüpft in etwas Neues. Und wird selbst ein bisschen neu dadurch. Als ich zum ersten Mal in meiner neuen Wohnung stand, dachte ich: Die ist mir zu weit. Die fülle ich nicht aus. Inzwischen passt sie mir. Entweder bin ich größer geworden oder die Wohnung kleiner.

I do

Mittwoch, 11. November 2009

Es ist ein bisschen wie kurz vorm Standesamt. Ein Jahr lang dasselbe tragen, das fühlt sich an wie eine Ehe auf Zeit. Ist es das Richtige? Werde ich es mit ihm aushalten, in guten wie in schlechten Zeiten? Ist es wahre Liebe?

Zumindest weiß ich: Das Kleid wird mich lieben, was immer auch passiert in diesem Jahr. Es ist so nachgiebig, dass notfalls zehn Kilo mehr reinpassen (ein Jahr ist lang), es verzeiht unladylikes Rumschlunzen, denn es knittert nicht, auf Reisen lässt es sich im Handwaschbecken waschen und ist im Nu trocken. Das Kleid ist also voll in Ordnung: charmant, stoisch, unprätentiös, anpassungsfähig. Was fürs Leben. Nur: Werde ich mit ihm leben können? Ich habe es mir nach bestem Wissen und Gewissen ausgesucht, doch die Erfahrung lehrt: Es kann alles ein schrecklicher Irrtum sein.

Mittags Lunch mit einer ehemaligen Kollegin, natürlich erzähle ich von dem Projekt. Sie lacht fassunglos, wie die meisten Frauen, die davon erfahren (Männer nehmen es eher gelassen, sie sind das Uniformtragen gewöhnt). Nachmittags Interview mit einem Psychologen für eine Geschichte, abends Essen mit einem alten Freund. Und seltsam: schon am Nachmittag denke ich nicht mehr an das Kleid, finde es kein Thema mehr, muss es nicht mehr rechtfertigen. Ich hab’s einfach nur an.

Das geht mir fast zu schnell.